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Stadt, Land, Flucht

TEXT & FOTOS: MIRCO LOMOTH
FAS | NR.35 – 30.08.2015

   aus aus der Stadt. Auf der A11 von Berlin nach Norden, vorbei an Orten, die nach Wochenendausflug klingen: Wandlitz, Biesenthal, Liepnitzsee, Werbellinsee. Über Alleen durch Buchenwälder und Maisfelder, bis zum Ökohof Schwalbennest in Pehlitz, am östlichen Rand des Biosphärenreservats Schorfheide-Chorin. Wir sind mit einem gemieteten Wohnmobil unterwegs, drei Tage werden wir bei Brandenburger Bauern zu Gast sein, frische Produkte von ihnen kaufen und am Abend nicht etwa zum nächsten Campingplatz fahren, sondern auf ihren Höfen im Wohnmobil übernachten. In unserem Handschuhfach liegt der Stellplatzführer Landvergnügen, der 369 Bauernhöfe und ländliche Betriebe in ganz Deutschland auflistet, die das anbieten. Mit der kleinen blauen Landvergnügen-Vignette an der Windschutzscheibe dürfen wir an all diesen Orten für eine Nacht bleiben.  

Die Tür zum Hofladen steht offen. Es ist niemand da. Auf dem Verkaufstisch stehen frisch geschnittene Bünde Bohnenkraut, Basilikum und Dill, Schafsfelle hängen über einem Schaukelstuhl. In Regalen lagern Honiggläser, Flaschen mit trübem Most und Kisten mit Zuckererbsen, Zucchini und Schwarzwurzel. Eine Frau mit zurückgebundenen grauen Haaren kommt herein. Es ist Martina Bressel. Mit ihrem Mann und fünf Kindern bewirtschaftet die Bäuerin rund 28 Hektar eines ehemaligen Klosterguts auf biodynamische Weise. Sie läuft barfuß und wirkt extrem gelassen, als hätte sie im fortwährenden Kreislauf von Pflanzen und Ernten ihren festen Platz gefunden.

Dann kommen Sie mal mit“, sagt sie, schlüpft in Gummistiefel mit Filzeinlage und geht voran zu einer Wiese, die sie seit letztem Frühjahr Wohnmobilgästen zur Verfügung stellt. Sie liegt neben einer von Bäumen gesäumten Weide, auf der Gänse umherlaufen. Am Horizont erheben sich in sanften Linien bewaldete Hügel.

„Letztes Wochenende stand schon ein Pärchen mit einem Camper hier, sie haben bei uns eingekauft und waren im Parsteiner See baden, der liegt gleich dahinter.“


und zeigt auf ein Gebüsch am Rande des Felds. „Wer will kann uns bei der Kartoffelernte helfen oder beim Holen der Kühe, das ist zwar keine große Hilfe, aber wir freuen uns über interessierte Besucher.“ Sie geht zurück ins Haus, die Schafsmilch muss zu Käse verarbeitet und der Käsekuchen gebacken werden, am Nachmittag kommen oft Gäste zum Kaffeetrinken im Schatten unter Kastanienbäumen. Wir kaufen, was wir für die nächsten Tage wohlmöglich brauchen können, Schafsmilch und Lammfleisch, Gemüse und Käse. Dann verabschieden wir uns. Für die Nacht haben wir uns bei einem anderen Hof in der Nähe angemeldet.

Das Vorbild für Landvergnügen kommt aus Frankreich. Dort gibt es seit mehr als 20 Jahren den Katalog „France Passion“, der Stellplätze auf rund 1850 Weingütern, Bauernhöfen und bei anderen ländlichen Betrieben in Frankreich auflistet. Das deutsche Pendant Landvergnügen startete im letzten Jahr mit rund 250 Gastgebern und 4000 verkauften Vignetten, dieses Jahr werden es wohl mehr als 12000 Vignetten sein. Auch die Zahl der Gastgeber nimmt ständig zu: Für 2016 erwarten die Macher bereits um die 500 Anbieter. Neben Bauernhöfen beteiligen sich auch Brauereien, Brennereien, Winzer, Antiquariate, Landbäckereien oder sogar Straußenfarmen, wie die von Michaela Naumann in Neufriedland am Rande der Märkischen Schweiz, wo man neben dem Gehege der Jungsträuße übernachtet und im Laden frisch abgepacktes Straußensteak kaufen kann. …


Ganzer Text in FAS NR. 35 — 30.08.2015