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ESSEN AUF RÄDERN

TEXT: MIRCO LOMOTH, FOTOS: ANDREA THODE
NATIONAL GEOGRAPHIC JULI 2015

   as ist also einer der Orte, an denen sie Halt machen. Ein karger Betonplatz an der Spree, zwischen rostigen Überseecontainern und einer Konzerthalle. Es ist ein sonniger Freitagnachmittag, die großen Vans stehen im Karree und haben ihre Klappen aufgerissen. Aus einem gelben Wohn­ wagen mit der Aufschrift „Hello Good Pie“ rei­chen zwei junge Männer Mürbeteig­-Pasteten, gefüllt mit einer Mischung aus Rindfleisch und Schwarzbier oder „Rinderbacke­-Rhabarber-Rotwein“. Der „Heiße Hobel“ daneben, ein grau­beigefarbenes Wohnwagen­-Ei, bietet All­gäuer Kässpatzen, frisch aus dem Kochwasser geschöpft, mit Bio­-Bergkäse und Emmentaler, Röstzwiebeln und frischem Schnittlauch.

Grüppchen junger Berliner und Touristen schlendern zwischen den Food­Trucks und an­ deren Verkaufsständen, lassen sich mexikanische Tacos oder indische Crêpes auf die Hand geben. Sie setzen sich mit einem Glas Riesling oder einem Frozen Mint Slush auf Bierbänke oder an Deck des Club­ und Restaurantschiffs „Hoppetosse“, das am Spreeufer vertäut ist. Von einem Räuchergrill weht der würzig­rauchige Geruch von amerikanischem Barbecue herüber, ein DJ spielt Cumbia­Rhythmen.

Bite Club, so heißt diese dampfende Wagen­burg in einem ehemaligen Industrieareal in Alt­-Treptow, an der Grenze zu Kreuzberg. Er ist einer von vier großen Street-­Food-­Märkten, die in den vergangenen Jahren dafür gesorgt haben, dass Essen im Stehen in Berlin immer cooler geworden ist. Tausende zeigen sich an jedem zweiten Freitag auf diesem hippen Futter­ und Feierevent, an anderen Tagen auf dem Village Market am RAW-Gelände in Friedrichshain, einem Zentrum der Alternativkultur. Sie essen alles, nur nicht Currywurst und Döner, und hören dazu Jazz und Lounge-Musik. Die Schlangen vor den beliebtesten Food Trucks sind manchmal so lang wie vor den angesagten Clubs der Stadt.

Die kulinarische Bewegung aus den USA ist auch in Deutschland angekommen. In vielen deutschen Städten gehören Food-Trucks zum Bild. Sie bedienen nicht nur die Liebe zum ganz besonderen Essen auf die Hand, sondern auch das ganz besondere urbane Lebensgefühl der „Digital Natives“. Die Macher bauen alte Liefer- oder Wohnwagen zu rollenden Kombüsen um, geben ihnen schicke Namen wie Burrito Bandito, Grillin’ me softly und Flying Dumplings.

Sie bieten internationales Fast Food in Gourmetqualität an und posten auf Facebook, Twitter und Instagram, wo sie stehen und was die Speisekarte hergibt. So scharen sie nicht nur Kunden, sondern Follower um sich, die ihnen zu Street-Food-Märkten in Gewerbehöfe und Industriegebiete folgen. Neben Berlin sind Hamburg, München und Nürnberg die deutschen Hauptstädte der Imbiss-Revolution.  
In Nürnberg ging 2010 der RibWich an den Start, in dem Klaus Peter Wünsch seither trocken mariniertes Schweinefleisch mit Barbecue-Soße anbietet. Durch Berlin fuhren bereits vor zehn Jahren bunte Catering-Oldtimer, einige Zeit lang gab es einen stadtbekannten VW-Bus, aus dem Tacos verkauft wurden. Doch richtig Fahrt nahm der Trend in den vergangenen beiden Jahren auf. Wünsch betreibt heute  in Nürnberg zusätzlich zu seinem Imbiss die Website foodtrucksdeutschland.de  und eine App, mit der man Food-Trucks in der Umgebung findet. Er schätzt ihre Anzahl in Deutschland auf 120 bis 150.

„Von einem Räuchergrill weht der würzig­rauchige Geruch von amerikanischem Barbecue herüber, ein DJ spielt Cumbia­-Rhythmen.“


Dabei haben es die Betreiber von Food-Trucks hierzulande schwerer als in den USA. Imbisswagen dürfen in Deutschland nur in Ausnahmefällen im öffentlichen Straßenraum stehen. Man findet sie daher meist auf privatem Grund, in Gewerbehöfen oder auf Marktplätzen. Wünsch versucht derzeit, in Nürnberg dauerhafte Genehmigungen für den Straßenverkauf zu erhalten. „Wir wollen erreichen, dass sich unsere Stadt und danach auch weitere Städte dem Phänomen öffnen.“

Das „Phänomen“ ist schwer zu übersehen. Knallgelb leuchtet da auf dem Bite Club ein GMC Step Van mit dem Kennzeichen B-UN 586. „Fast Food kann um Längen besser sein als bisher, wenn man sich nur etwas Mühe gibt“, preist der Mann, der davor steht. Pablo Siranossian ist Frankokanadier und betreibt das Bunsmobile. Der 29-jährige trägt einen Hippster-Vollbart, eine blaue Kochschürze und schwarze Plastikhandschuhe. Aus dem Innenraum des Van, Baujahr 1986, nimmt seine Freundin Mathilde Bayle gerade die ersten Bestellungen entgegen. Auf der Speisetafel stehen ein Cheeseburger für 6,50 Euro, ein Barbecue-Burger mit Bacon für 7,50 Euro und eine ganz neue Kreation: ein Exemplar mit frittierter Hühnerbrust in scharfer Panade und Avocado-Koriander-Soße. „Anfangs waren unsere Burger den Leuten zu teuer“, sagt Siranossian. Aber mittlerweile könne er sich über mangelnde Kundschaft nicht beklagen. …


GANZER TEXT IN NATIONAL GEOGRAPHIC JULI 2015
Fotos: www.andreathode.de



„Grüppchen junger Berliner und Touristen schlendern zwischen den Food­Trucks umher, lassen sich mexikanische Tacos oder indische Crêpes auf die Hand geben.“