Close
Der grosse Garten Präsidenten

Text & Fotos: Mirco Lomoth
Die Zeit | NR. 18 – 29.04.2010

   ie backt, wenn sie nicht kocht. Lydia Silda Cadin knetet den Teig, dass die Küche bebt, genug für ein ganzes Dutzend Brote. Sie zerbricht Holzscheite über dem Knie und heizt den Herd ein, bis die Flammen knistern und der Wasserkessel vor Hitze bibbert. Sie schiebt das Blech ins Backfach, setzt sich auf ihren Stuhl am Fenster und streicht den Rock über den Knien glatt. Nur kurz bleibt sie sitzen, steht schon wieder, schlurft mit blauen Frottee-Pantoffeln durch die Küche, fegt, spült, schrubbt den Herd. Sie zieht sich gefütterte Plastikstiefel über und erntet Kartoffeln auf dem Acker, bis sie spät abends die Schürze abstreift, in den Ledersessel fällt, die Beine hoch legt und über Meniskus-Schmerzen klagt.

Der Sommer war anstrengend. Sie kocht für jeden, der zu ihr kommt und es kommen immer mehr, seit Chiles neuer Präsident, der Milliardär Sebastián Piñera Echenique, den Wald ringsum die Fischersiedlung Caleta Inio aufgekauft, das Naturschutzgebiet Parque Tantauco geschaffen und es in den letzten zwei Jahren für den Tourismus geöffnet hat. 1180 Quadratkilometer immergrüner Regenwald im Südwesten der Insel Chiloé, erschlossen durch 150 Kilometer Wanderwege. Caleta Inio ist der südliche Eingang zum Parque Tantauco. Mehrere Bootsstunden dauert die Überfahrt von Quellón aus, dem südlichsten Hafen der Insel, wo einem bereits der frische Wind Patagoniens um die Nase weht – 1200 Kilometer südlich der Hauptstadt Santiago.

Vom Anleger in Inio sind es dann nur noch wenige Schritte bis zu Señora Sildas Küchentisch. Ihr Mann Carlos grüßt freundlich, er hat das mit Blech beschlagene Holzhaus zu einer Pension ausgebaut, in drei Zimmern stehen klapprige Betten. Heute sind Handwerker da, die einen Aussichtsturm für Wanderer im Park planen, sie trinken jote, Rotwein mit Cola, auf der Sofa-Garnitur im Wohnzimmer. Irgendwann stellt Senõra Silda Teller auf den runden Tisch in der Küche. Es gibt loco, das zarte Fleisch dicker Meeresschnecken, dazu Tomatensalat. Sie kocht, was Meer und Garten hergeben – Algensuppe, Eintopf mit Krebsfleisch, Miesmuscheln oder Venusmuscheln.

Nach dem Abendessen ist es noch hell. Am Strand hat die Ebbe Wellenmuster und Muschelschalen zurück gelassen, zwei dicke Fischer streichen in den letzten Sonnenstrahlen den Rumpf ihrer Barbara mit gelber Farbe. 40 Fischerfamilien leben in Inio, ihre einfachen Häuser haben sie in einer langen Reihe zwischen Strand und Wald gebaut. Es gibt eine Schule, eine Krankenstation, zwei Kirchen, eine katholische und eine evangelikale. Und neuerdings ein großes Holzgebäude für die Parkverwaltung, mit einem kleinen Museum und einem Apartment für Piñera im zweiten Stock. …

Ganzer Text in Die Zeit  NR. 18 – 29.04.2010