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Gejagte Jäger

Text & Foto: Mirco
FAS | Nr. 21-27.5.2012

   auch steigt auf, zieht durch braun vertrocknete Blätter in die Baumwipfel. Eine Hütte im Wald, es ist dunkel im Innern. Kanyabikingyi wendet ein dickes Bambusrohr über der Feuerstelle, das an den Enden mit Farnstopfen verschlossen ist, er trägt eine hohe Fellhaube, hockt dicht an den schwelenden Ästen. „So haben wir das Fleisch gegart, als wir noch im Wald jagten“, sagt er. Stephen sitzt am Eingang und beobachtet ihn aufmerksam, ein zierlicher Mann mit FC-Arsenal-Schriftzug auf der Wollmütze. Wilson, mit 55 Jahren der Älteste, rollt sich auf dem Boden zusammen und schließt die Augen, zeigt, wie die Kinder früher am Feuer schliefen. Wie die anderen trägt er Rock und Weste aus Fell, darunter ein grünes T-Shirt, der haarige Fetzen auf seinem Kopf erinnert entfernt an eine Schiebermütze. Digitalkameras blitzen, Touristen schauen von draußen in die kleine Hütte hinein. Kanyabikingyi legt das Bambusrohr ab. Es ist kein Fleisch drin, das Feuer hat keine Flamme, all das hier ist nur eine Inszenierung, die Hütte ein Nachbau. Sie sind Batwa-Jäger, kleine Menschen, früher hätte man gesagt sie seien Pygmäen. Hier haben sie gelebt, am Fuße der Virunga-Vulkane im äußersten Südwesten Ugandas, an der Grenze zu Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo. Bevor aus ihrem Wald ein Nationalpark wurde, um Berggorillas, Waldelefanten und andere seltene Tiere zu schützen.

Sie mussten ihn verlassen, jetzt dürfen sie zum ersten Mal seit 20 Jahren wieder hinein, mit den Touristen. Acht Kilometer wandern sie mit ihnen auf dem „Batwa Trail“ durch ihren Wald, ein staatlicher Wildhüter übersetzt, was sie sagen.

Stephen tritt ins Freie, er zeigt einen kleinen Schrein aus Zweigen, den sie hinter der Hütte errichtet haben. „Hier bekamen die Ahnengeister der großen Krieger vor der Jagd ihr Näpfchen mit Honig“, sagt er. In einem Baum neben der Hütte liegt ein Nest aus Zweigen auf einer Astgabel, eine Leiter lehnt am Stamm. 

„Dort oben waren die Kinder geschützt vor wilden Tieren, wenn die Eltern fort waren.“ 

Kanyabikingyi greift seinen Speer und geht voran ins Grün des Waldes. Es ist ein eindringliches Grün, als hätte jemand bei einem Farbfoto die Sättigung hochgedreht. Moos wächst wie Plüsch auf den Stämmen, rote und gelbe Blütenpunkte sitzen auf Blättertapeten, Zikaden legen einen dicht gewebten Soundteppich über die Welt. Immer wieder bleibt Stephen plötzlich stehen, zeigt auf Spuren eines Buschbocks oder auf kleine braune Pilze, die an einem Stein wachsen. „Sie helfen bei Kopfschmerzen“, sagt er. Mit flinken Fingern gräbt er eine Farnwurzel aus, die gegen Magenprobleme wirkt, pflückt kleine gelbe Früchte, die sie als Seife verwenden, reibt eine Schlingpflanze zwischen den Händen. „Man schaut weit bei der Jagd, wenn man sie einnimmt.“ …


Ganzer Text in FAS NR. 18 — 29.04.2010